Gehört - gelesen - gesehen
Sicherheit im Netz - nicht nur für Ältere
Vortrag von Ria Hinken
Das
Café im Glashaus war bis auf den letzten Platz gefüllt, als
just am „Safer Internet Day“ Ria Hinken, vom IHK-Magazin als
„Frontfrau für Smart Aging“ bezeichnet, auf Einladung der
Gruppe ÄwiR – Älter werden im Rieselfeld zu einem Vortrag mit
Schulung der digitalen Kompetenz ins Rieselfeld kam. Bestens
strukturiert führte die erfahrene Referentin durch die
unbegrenzten Möglichkeiten des Internet. Ältere fühlen sich
nicht selten vom World Wide Web überfordert und haben
Berührungsängste mit den neuen Medien. Es ist aber gerade für
die „älteren Semester“ wissenschaftlich bewiesen: Wer
regelmäßig mit dem Computer arbeitet, hält sich geistig fit
und beugt der Demenz vor. Außerdem: Die Digitalisierung
schreitet unerbittlich voran – und wer nicht mitmacht bleibt
zurück! Dagegen ist die Jugend oft unbekümmert im Netz
unterwegs und erkennt u. U. vorhandene Fallstricke und Risiken
nicht. Beides - Leichtsinn und Unwissen - können aber zu
richtigem Ärger, finanziellen Verlusten und erheblichen
Unannehmlichkeiten führen.
Das Erkennen von Fallstricken war deshalb ein Hauptanaliegen
dieses Vortags, denn die Gauner und „Räuber“ lauern heute
nicht mehr am Wegesrand hinter dem Busch, sondern sitzen u. U.
in fremden Ländern am eigenen PC („Mr. Salman von Microsoft
aus Gibraltar“) und sind bei Straftaten von der Polizei nur
selten zu ermitteln.
Am Anfang der digitalen Beschäftigung steht die Suchmaschine.
Laut Stiftung Warentest ist „Startpage“ die sicherste der
Welt. Aber auch YOU, Web.de und DuckDuckGo seien sicher. Beim
Browser sei Firefox sicher, dagegen sind Microsoft und
Google und auch Dropbox nicht sicher, genau so wenig WhatsAPP
sowie APPs von Google und Apple, da sie Daten „abziehen“ und
nicht dem strengen deutschen Datenschutz unterliegen.
Das Darknet ist problematisch, da es wegen der
verschlüsselten Kommunikation und Anonymität zu einem „großen
Marktplatz für Straftaten und illegale Güter aller Art“ wurde.
Aber es hat auch positive Seiten: Journalisten, Whistleblower
und politisch Verfolge können unerkannt Informationen
austauschen. Trotzdem ist für den Unerfahrenen große Vorsicht
am Platze.
Wer glaubt, nichts zu verbergen zu haben, der sollte sich der
Realität stellen: der Identitätsklau ist ein großes
Ärgernis, hat man doch dadurch die Kontrolle über persönliche
Daten verloren. Wenn personenbezogene Daten wie Name,
Geburtstag, Email-Adresse, IP-Nummer, Wohnort,
Kfz-Kennzeichen, Telefon-, Konto-, Steuer- und
Krankenversicherungs-nummer ausgespäht worden sind, kann der
Datendieb seinen Einkauf auf Kosten des Bestohlenen erledigen
und einen großen Schaden anrichten. Tunlichst sollte man
vermeiden, dass z. B. beim Einchecken ins Hotel oder auf dem
Flughafen der eigene Ausweis mit dem Handy abfotografiert
wird. Auch öffentliches W-LAN kann in puncto Datensicherheit
ein Problem sein. Die gute Nachricht ist, dass es Programme
gibt, die Daten- und Identitätsklau erfassen. Wenn tatsächlich
auf diese Weise einmal etwas schiefgelaufen und ein Vertrag
versehentlich abgeschlossen worden sein sollte, muss man sich
merken: Ohne Bestätigung kommt ein Vertrag nicht zustande und
es besteht immer ein Rücktrittsrecht, das in Schriftform
abgefasst werden muss („Ich trete vom Vertrag zurück.“).
Passwörter zu generieren ist eine Aufgabe, die
Kopfzerbrechen machen kann, aber z. T. auch blauäugig oder
arglos gehandhabt wird. Es sollten immer mindestens zwölf
Stellen in einer Mischung aus Buchstaben, Zahlen und
Sonderzeichen sein. Helfen kann ein Password Manager. Eine
wichtige Regel muss beachtet werden: Niemals dasselbe Password
für alles benutzen!
Bei Fragen ums Smartphone empfahl die Referentin die „Smartphone-Sprechstunde
für Senioren und Senioritas“: Erfahrene Schüler stehen
zur individuellen Eins-zu-Eins-Unterstützung zur Verfügung. an
jedem zweiten Donnerstag im Monat von 14 bis 15.30 Uhr in der
Max-Weber-Schule (Stühlinger) und an jedem dritten Mittwoch im
Monat von 14 bis 15.30 Uhr im Wentzinger-Gymnasium am Seepark.
Hier können sich Menschen 60plus gratis und ohne Anmeldung,
gerne auch mehrfach, Tipps holen. Wer einen Beitrag zur
wissenschaftlichen Forschung leisten möchte, kann sich darüber
hinaus an der INDICO-Studie der Universität Jena beteiligen.
Alle Infos und Termine: https://www.smartphone-sprechstunde.org/
Text: Heiner Sigel,
Gruppe ÄwIR – Älter werden im Rieselfeld
Foto: Sigrid Hofmaier
Am 29.09.2022 hatte Frau
Rechtsanwältin Schmidt im Glashaus über die Vorsorgevollmacht
und Patientenverfügung informiert.
Vorsorgevollmacht:
Wenn Sie als volljährige Person selbst es nicht mehr können,
muss ein anderer für Sie Entscheidungen treffen und handeln.
Weder Ehepartner noch Kinder können dies automatisch. Sie
müssen dazu bevollmächtigt sein.
Es bestehen zwei Möglichkeiten vorzusorgen: Sie können
jemanden mit einer Vorsorgevollmacht ausstatten. Der darf dann
alle wichtigen Entscheidungen für Sie treffen. Oder Sie
schreiben eine Betreuungsverfügung, in der konkrete Menschen
als Betreuer genannt sind.
Ein wichtiger Unterschied: Betreuer werden vom Gericht benannt
und kontrolliert. Falls weder eine Vorsorgevollmacht noch eine
Betreuungsverfügung vorliegen, wird vom Gericht ein fremder
Betreuer bestellt.
Patientenverfügung:
Jeder Mensch - gleich welchen Alters - kann unfall- oder
krankheitsbedingt in eine Situation kommen, in der er selbst
keine Entscheidungen mehr treffen können. Mit einer
schriftlichen Patientenverfügung können Patientinnen und
Patienten für den Fall ihrer Entscheidungsunfähigkeit in
medizinischen Angelegenheiten vorsorglich festlegen, dass in
einer bestimmten Situation bestimmte medizinische Maßnahmen
durchzuführen oder zu unterlassen sind. Damit wird
sichergestellt, dass der Patientenwille umgesetzt wird, auch
wenn er in der aktuellen Situation nicht mehr geäußert werden
kann.
Jede einwilligungsfähige volljährige Person kann eine
Patientenverfügung verfassen, die sie jederzeit formlos
widerrufen kann. Es ist sinnvoll, sich von einer Ärztin, einem
Arzt oder einer anderen fachkundigen Person beraten zu lassen.
Treffen die konkreten Festlegungen in einer Patientenverfügung
auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation der
Patientin oder des Patienten zu, sind die behandelnde Ärztin
oder der behandelnde Arzt wie auch die Pflegekräfte daran
gebunden. Ist ein/e Betreuer/in oder ein/e Bevollmächtigte/r
als Vertreter/in vorhanden, hat er oder sie dem Willen der
Patientin oder des Patienten lediglich Ausdruck und Geltung zu
verschaffen.
Frau Rechtanwältin Karin M. Schmidt hatte diese trockene
Themen in einem sehr informativen und kurzweiligen Vortrag
behandelt. Mit vielen Beispielen hatte sie ihren Vortag
lebendig gestaltet. Circa 20 Gäste waren von dem
Informationsabend begeistert und konnten auch ihre Fragen zu
den Themen stellen.
Informationen über die Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung findet man auch unter www.lexport.de. Dort kann man auch die
entsprechenden Vordrucke gebührenpflichtig bestellen.
Patientenverfügung:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientenverfuegung.html
Vorsorgevollmacht:
https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Formulare/Vorsorgevollmacht.html
Harald Seywald
ÄwiR (Älter werden in Rieselfeld)
Kommentar zum Buch von Arno
Geiger: „Der alte König in seinem Exil“
dtv,
189 S., € 9.90
Der preisgekrönte Autor begleitet seinen an Alzheimer
erkrankten Vater auf dessen letztem Lebensabschnitt und begibt
sich auf die Spuren seiner bisher nur fragmentarisch bekannten
tragischen Lebensgeschichte: schwer traumatisiert aus dem 2.
Weltkrieg nach Hause zurückgekehrt, als Familienvorstand
gescheitert, vom gesellschaftlichen Wandel abgehängt, musste er
schließlich im hohen Alter ins Pflegeheim übersiedeln. Mit
zunehmender Einschränkung seiner Gedankenwelt lässt sich der
Sohn darauf ein, „über die Brücke zu ihm hinüber zu gehen“. So
entwickelte sich im Verlauf der Zeit eine innige, von ihm bisher
nie gekannte Emotionalität und Zuneigung von hoher Wertigkeit
für Vater und Sohn. Und es wird ein Weg zur Selbstfindung: „Es
hat lange gedauert etwas herauszufinden über die grundlegenden
Dinge, die uns getrieben haben, die Menschen zu werden, die wir
sind.“
Die Lebensgeschichte des Erkrankten wird einfühlsam im Kontext
mit seinen aktuellen Gefühlsäußerungen und Reaktionen und jenen
der Familie in Beziehung gebracht und die verrückte, bisweilen
durch Situationskomik zum Lachen verdrehte aber in sich
schlüssige Welt der Demenz voller Würde und Hochachtung
dargestellt, wie es einem König - wenn auch im Exil - gebührt.
Das Buch schildert die Alzheimerkrankheit in ihrem Anfang, ihren
Facetten und im Fortschreiten einfühlsam und eindrücklich
zugleich und fördert das Verständnis für die besondere Situation
der Erkrankten. Es sei allen wärmstens zur Lektüre empfohlen,
die mit Demenzkranken umgehen oder sich für ein Schicksal rüsten
möchten, das jeden direkt oder indirekt einmal treffen kann.
Heiner Sigel